Kunststoffe & Gummi
Vom Schredder zur Kettengleitschiene: Recycling von Polyamid 6 auf Lösungsmittelbasis
Verschmutzte Kunststoffe aus Automobil-Schredderrückständen? Wir bereiten sie für eine neue Verwendung auf!
BASF, Mercedes-Benz und Poeppelmann haben sich zusammengetan, um eine neue Stufe des physikalischen Recyclings einzuleiten: die Aufbereitung der Polyamid-6-Fraktion (PA6) aus den Schredderrückständen von Altfahrzeugen (ASR). Mithilfe eines speziellen lösungsmittelbasierten Recyclingverfahrens verwandeln sie dieses Material in hochwertige Kunststoffe, die in neuen Autoteilen verwendet werden können. Gemeinsam haben die Partner gezeigt, dass das lösungsmittelbasierte Recycling eine ergänzende Recyclingtechnologie sein kann, die die Herstellung von geschlossenen Recyclingprodukten ermöglicht, die in anspruchsvollen Automobilanwendungen eine hohe Leistung erbringen. Diese Technologie trägt dazu bei, die Verbrennung oder Deponierung von ASR zu vermeiden. Nicht verbrennen – aufbereiten!
Rückgewinnung von Polyamid 6 (PA6) aus Automobil-Schredderrückständen
Das Pilotprojekt befasst sich mit einem der komplexesten Kunststoffabfallströme, den man sich vorstellen kann: Automobil-Schredderrückständen (ASR). ASR sind eine wilde Mischung aus verschmutztem Kunststoffschreddergut und allen möglichen Verunreinigungen wie zum Beispiel Sand, Glaspartikeln. Es handelt sich um das Material, das übrig bleibt, nachdem ganze Fahrzeuge geschreddert und die Metalle aussortiert wurden. Durch lösungsmittelbasiertes Recycling können Zielpolymere wie PA6 durch selektive Auflösung aus diesem Materialmix zurückgewonnen werden. Da ASR in der Regel verbrannt oder als Ersatzbrennstoff (RDF) verwendet wird, bietet dieser Ansatz eine vielversprechende und umweltverträgliche Alternative, die dazu beiträgt, wertvollen Kohlenstoff im Materialkreislauf zu halten.
Der Prozess von lösungsmittelbasiertem Recycling
Durch lösungsmittelbasiertes Recycling können Kunststoffe wie Polyamid 6 (PA6) selektiv aufgelöst und aus komplexen Gemischen getrennt werden, wodurch hochreines Polymermaterial zurückgewonnen werden kann. Für das Pilotprojekt wurden ausschließlich Shredderrückstände aus der Automobilindustrie als Ausgangsmaterial verwendet, die mithilfe der von BASF entwickelten lösungsmittelbasierten Recyclingtechnologie sortiert und verarbeitet wurden. Das selektiv aufgelöste PA6 wurde gereinigt – dabei wurden Füllstoffe und Verunreinigungen aus dem bisherigen Lebenszyklus entfernt –, bevor es zu hochwertigen Kunststoffgranulaten weiterverarbeitet wurde. Die Reinigung ist ein Vorteil, der das lösungsmittelbasierte Recycling von herkömmlichen mechanischen Recyclingverfahren unterscheidet. Sehen wir uns an, wie wir das gemacht haben.

Schritt 1: Schreddern und Sortieren der Wertströme
Altfahrzeuge werden geschreddert und die wertvollen Materialien, hauptsächlich Metalle, werden für das direkte Recycling aussortiert.
Schritt 2: Erneutes Sortieren
Ein Teil der verschiedenen Polyamide wird aus den Shredderrückständen extrahiert.
Schritt 3: Auflösen
Die extrahierte Polyamidfraktion wird einem Solvolyseverfahren unterzogen, bei dem das PA6 aufgelöst und abgetrennt wird.
Schritt 4: Reinigen
Die PA6-Lösung wird gereinigt, um die beste Ausgangsposition für die PA6-Polymerketten zu schaffen.
Schritt 5: Leistung steigern
Schließlich werden Glasfasern und Additive hinzugefügt, um das Material leistungsfähig und einsatzbereit zu machen.
Wechseln Sie nicht die Pferde – passen Sie einfach Ihre Prozessparameter an
Der durch lösungsmittelbasiertes Recycling gewonnene PA6-Verbundwerkstoff wurde zum Formen einer Führungsschiene für einen Mercedes-Benz-Pkw verwendet. Eine Führungsschiene stützt in der Regel die Steuerkette während ihrer Bewegung und ermöglicht so eine kontrollierte Bewegung der Motoreinheit. Reproduzierbare Abmessungen des Formteils sind daher nicht nur für die Entformung, sondern auch für die Funktion der Teile wichtig. Um den Prozess zu validieren, fertigte Pöppelmann die Teile mit Standardwerkzeugen und -formen und demonstrierte damit eindrucksvoll, dass das recycelte PA6-Material nahtlos in die bestehende Fertigungsinfrastruktur integriert werden kann. Es waren nur minimale Anpassungen der Prozesseinstellungen erforderlich. Gleichzeitig wurden im Pilotzentrum der BASF Testmuster hergestellt.

von links nach rechts: Strukturteil, umspritzte Komponente
Foto: BASF, 2025
Und das Ergebnis? Die daraus aus dem herausgelösten Material entstandenen Komponenten wurden einer detaillierten Analyse unterzogen, die bestätigte, dass das recycelte Material eine robuste, polyamidähnliche Leistung erbringt. Diese Ergebnisse unterstreichen die Fähigkeit des Recyclats, strenge Automobilstandards zu erfüllen – und beweisen, dass es in anspruchsvollen Anwendungen eingesetzt werden kann, ohne Kompromisse bei der mechanischen Festigkeit, der chemischen Beständigkeit oder der allgemeinen Materialintegrität einzugehen.
Das Projekt zeigt eindrucksvoll: Lösungsmittelbasiertes Recycling ist eine praxisrelevante Alternative für Kunststoffe, die mechanisch schwer zu recyceln sind. Es leistet einen wichtigen Beitrag zur ganzheitlichen Kreislaufwirtschaft – vom Auto wieder zurück ins Auto.
Um die Auswirkungen des Recyclingprozesses und der dabei entstehenden Materialien besser zu verstehen, wurde mit Unterstützung des Teams für Energie- und Verfahrenstechnik der ETH Zürich eine Lebenszyklusanalyse (LCA) durchgeführt.
Die Ergebnisse sprechen für sich: Die CO₂-Emissionen waren im Vergleich zur Herstellung herkömmlicher fossiler Kunststoffe deutlich geringer. Noch beeindruckender ist, dass die Einsparungen im Vergleich zur Verbrennung alter Autoteile, die stattdessen als Rohstoff für das Recycling verwendet wurden, sogar noch größer waren.
Diese Ergebnisse zeigen, wie fortschrittliches Recycling einen echten Unterschied beim Aufbau einer Kreislaufwirtschaft und bei der Förderung der nachhaltigen Transformation der Kunststoffindustrie bewirken kann – vorausgesetzt, es gibt die richtigen Vorschriften, um dies zu unterstützen.
Mercedes-Benz setzt im Rahmen der Ressourcenschonung und Zirkularität heute und zukünftig auch auf den Materialeinsatz aus sekundären Rohstoffen in seinen Fahrzeugen. Um die Verfügbarkeit solch begehrter Sekundärmaterialien kontinuierlich zu erhöhen, sind der Ausbau vorhandener und auch neuer Recyclingtechnologien elementar. Pilotprojekte entlang der Wertschöpfungskette sind dabei von zentraler Bedeutung, um die Bandbreite der eingesetzten Recyclingverfahren kontinuierlich zu erweitern und fundierte Erkenntnisse zu gewinnen. Diese technologische Vielfalt ist ein weiterer wichtiger Schritt, um unseren Beitrag zur Ressourcenschonung zu leisten.